Die Überschrift hört sich reißerisch und übertrieben, ja fast wie eine Click-Bait-Überschrift an. Ist sie aber nicht. Ich übertreibe nicht damit, wenn ich sage, dass fast jeder Mensch zuckersüchtig ist. Das liegt daran, dass unser Körper – genau genommen unser Gehirn – darauf programmiert ist, nach Süßem zu Verlangen, denn Glucose ist überlebenswichtig für uns. Daher ist das Gehirn darauf programmiert unser Belohnungssystem zu aktivieren, sobald wir etwas Süßes schmecken. Diese Veranlagung wird unfreiwillig durch versteckten Zucker oder bewusst durch den Konsum von übermäßig viel Süßkram immer wieder getriggert. Dadurch nehmen wir dann aber mittlerweile viel zu viel Zucker zu uns – denn in fast jedem fertigen Lebensmittel ist Zucker in den verschiedensten Formen zugesetzt. Fakt ist: Die Zuckersucht ist die häufigste Sucht, wird aber oft nicht als offizielle Sucht anerkannt. In diesem Artikel möchte ich dir gerne helfen, deine Zuckersucht zu besiegen.
Anleitung zum Zuckerentzug
Heute geht es nicht um das WARUM sondern um das WIE. Wenn es um meine Beziehung zu Zucker geht, werde ich oft gefragt, wie ich es geschafft habe, davon loszukommen. Um ehrlich zu sein, es gibt keine “General-Anleitung”, die garantiert zum Erfolg führt. Das liegt ganz einfach daran, dass jeder Mensch anders ist. Bei jedem ist die Zuckersucht unterschiedlich ausgeprägt, der Stoffwechsel hat eine andere Konstitution, jeder legt unterschiedliche Verhaltensmuster an den Tag und reagiert auf Stress anders. Trotzdem möchte ich in diesem Artikel gerne versuchen, die wichtigsten Schritte zu einem “Basis-Fahrplan” zusammenzufassen und so mitzuhelfen, dass du dich und deine Sucht verstehen und in den Griff bekommen kannst.
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Wie macht sich die Zuckersucht bemerkbar?
Es gibt einige populäre Merkmale, an denen du ganz gut erkennen kannst, wie sich Zuckersucht äußert:
- Du hast plötzliches und heftiges Verlangen nach etwas Süßem
- Wenn du einmal angefangen hast etwas Süßes zu essen, kannst du schwer aufhören bevor die Packung leer ist
- Du glaubst, dich mit etwas Süßem zu Recht zu belohnen
- Wenn du im Supermarkt vor dem Süßigkeitenregal stehst, läuft dir das Wasser im Munde zusammen
- Du isst manchmal zu viel Süßes und danach ist dir schlecht
- Deine Gedanken drehen sich häufig (auch oftmals im Mittagstief) darum, wo du schnellstens etwas Süßes herbekommst
- Auch der Wechsel von Verlangen nach Süßem folgend von Verlangen nach etwas salzigem, fettigen oder herzhaften ist ein Anzeichen von Zuckersucht bzw. davon, dass du zu viel Zucker zu dir genommen hast
Wenn du bereits auch nur zu einem Punkt zugestimmt hast, ist die Sache klar: auch du kannst Zucker nicht wiederstehen!
Definition “zuckerfrei”
Das oberste Ziel soll sein, allen unnötigen und überflüssigen Zucker z.B. in Fertiggerichten oder übersüßten Produkten zu eliminieren. Damit reduzierst du deinen Zuckerkonsum schonmal drastisch. Zweites Ziel ist dann, den bewussten Zuckerkonsum zu regulieren und zu reduzieren. Alle natürlichen Zuckerarten aus Obst, Gemüse, Honig, Ahornsirup oder Trockenfrüchten bleiben erlaubt, sofern sie das natürliche Maß nicht überschreiten (eine ganze Tüte getrocknete Datteln am Tag wäre z.B. nicht “normal” ;)).
Gute Vorbereitung
Der erste wichtige Schritt ist schon geschafft, wenn du dir ehrlich eingestehst, dass du zuckersüchtig bist. Dieses Bewusstsein ist der Grundstein zu allen weiteren Schritten. Wichtig ist eine gute Vorbereitung, denn egal wie stark deine Zuckersucht ist, du wirst früher oder später an den Punkt kommen, an dem dein Körper unmissverständlich und heftig nach Zucker verlangen wird. Dafür brauchst du einen Plan B, quasi deinen Backup-Plan, auf den du schnell und unkompliziert zurückgreifen kannst. Der Plan B wird dir Stabilität geben, wenn du drohst schwach zu werden. Mein Plan B besteht auch heute noch aus selbstgemachten, gesunden Süßigkeiten aus Trockenfrüchten, Nüssen und rohem Kakao. Diese Raw Brownies kann ich mir ganz schnell machen, wenn mein Süßhunger Überhand zu nehmen droht.
Des Weiteren macht es wirklich Sinn, sich darüber zu informieren, welche verschiedenen Zuckerarten es gibt und was Zucker mit unserem Körper macht. Hierzu habe ich bereits folgende Artikel geschrieben:
Diese Erklärungen helfen dir dabei die Gründe zu verstehen, warum Zucker nicht gut für deinen Körper ist.
Der perfekte Zeitpunkt?
Hierbei verhält es sich wie bei allen guten Vorsätzen: Der beste Zeitpunkt wäre gestern gewesen 😉 Oder besser gesagt: Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht.
Am besten fängst du ab sofort mit deinem “neuen” Denken an, denn worauf willst du warten? Du bestimmst die Geschwindigkeit und die Intensität deiner Ernährungsumstellung, jeder noch so kleine Schritt ist wichtig und ein Erfolg! Also los los, fang doch einfach direkt mal mit Schritt 1 an 😉
Schritt 1: Vorräte inspizieren
- Schaue dir alle Lebensmittel an, die du noch zu Hause hast. Sortiere sie in die Gruppen “ohne Zuckerzusatz” und “Zucker zugesetzt” (die vielen verschiedenen Beschreibungen von Zucker findest du in dieser Liste)
- Schau dir an, wieviel Zucker insgesamt auf 100g oder ml enthalten ist
- Überlege dir dann, ob du die Lebensmittel wo Zucker zugesetzt ist weggeben, wegschmeißen oder doch noch selbst essen willst
Schritt 2: Einkaufen
Plane genug Zeit für deine Einkäufe ein, denn ab sofort wird eInkaufen etwas länger dauern. Bei deinem nächsten Einkauf ist es ein Muss, dir einen Einkaufszettel zu schreiben. Greife im Supermarkt ruhig zunächst zu den gewohnten Produkten, bevor du sie aber in den Einkaufswagen legst, schaue auf die Zutatenliste. Ist kein Zucker zugesetzt, kannst du das Produkt in den Einkaufswagen legen. Findet sich irgendein offensichtlicher oder versteckter Zucker unter den Zutaten (s. Liste unter Schritt 1), ab zurück damit ins Regal. Schaue dir alle weiteren Produkte, die du benötigst, ganz genauso an.
Wichtig dabei ist, dass du auf die Zutatenliste schaust, denn nur dort lässt sich erkennen, ob Zucker zugesetzt ist. Die Nährwerttabelle gibt dir zwar Aufschluss darüber, wieviel Zucker enthalten ist, dieser kann aber auch natürlich sein.
Einkaufen neu lernen
Insgesamt lässt sich sagen, dass es fast immer ein Produkt ohne Zuckerzusatz gibt, wenn auch dann vielleicht in einem anderen Laden. Nach und nach wirst du herausfinden, was du wo findest und so kannst du deine Einkaufsorte gut planen. Nach und nach wirst du dich aber auch von vielen gewohnten Produkten, insbesondere Fertigprodukten, verabschieden müssen, die du dann entweder ab sofort ganz weglässt oder sie selber machst. Falls du dich entscheidest sie selber zu machen, wirst du feststellen, dass es mit einer guten Planunges nicht so viel Aufwand ist. 🙂
Wenn du dir einen moderaten Vorrat an Grundzutaten zulegst, werden sich deine wöchentlichen Einkäufe oftmals auf frisches Obst und Gemüse (eventuell noch Milchprodukte) beschränken.
Dein Einkaufsverhalten wird sich in jedem Fall verändern, vielleicht wandern jetzt teurere Produkte in den Einkaufswagen, paradoxerweise kosten Produkte mit billigem Zuckerzusatz oft weniger als solche ohne jeglichen Zucker. Vielleicht musst du bestimmte Produkte, auf die du nicht verzichten möchtest, ab sofort in einem anderen Supermarkt oder Bio-Markt kaufen. Aber dieser Mehraufwand ist gering, wenn man ihn dagegen aufwiegt, dass es um deine Gesundheit geht.
Probleme und Lösungen
Es kann natürlich sein, dass keines der benötigten Produkte ohne Zucker zu finden ist. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder du überlegst, ob sich das Lebensmittel selbst herstellen lässt (z.B. Nudelsauce, Apfelmus. Marmelade…) oder du nimmst ein Ersatzprodukt (dann natürlich auch ohne Zucker).
Ein anderes Thema ist, deiner Familie und den Freunden mitzuteilen, dass du ab jetzt auf industriellen Zucker verzichtest. Das schließt natürlich auch mit ein, ab sofort auf Geburtstagen und Parties auf die üblichen Kuchen, Torten und Desserts zu verzichten (es sei denn, jemand denkt an dich und backt einen leckeren Kuchen ohne Industriezucker). Dies ist kein einfaches Unterfangen und bedeutet oftmals sich erklären zu müssen und auch auf Unverständnis zu stoßen. Hier ist aber dringend Selbstbewusstsein und Durchhaltungsvermögen gefragt, denn sonst bringen dich solche Gelegenheiten ständig ins Schlingern. Vielleicht gelingt es dir aber bei dem ein oder anderen, einen Stein ins Rollen zu bekommen und ihn ins Team “Zuckerfrei” zu holen.
Besonders hilfreich ist es natürlich einen Partner an deiner Seite zu haben, der dich beim Zuckerentzug unterstützt oder am besten noch mitmacht. Das Mindeste ist aber, dass er sich an den Kodex hält und keine Süßigkeiten ins Haus schleppt oder zuckerverseuchte Fertiggerichte. Perfekt ist es, wenn ihr das selber Kochen zusammen neu entdeckt und lieben lernt. Dann bereitet es oftmals kaum Mühe an seinen neu gewonnenen Gewohnheiten festzuhalten und die Ernährungsumstellung zusammen zu genießen, aber auch Tiefs und Rückfälle zu überwinden.
Eine weitere Herausforderung ist es, im Restaurant essen zu gehen, denn dort gibt es meist keine genaue Zutatenliste. Hier musst du unbedingt die Scheu zu verlieren, nachzufragen, was genau in den Gerichten enthalten ist. Dies gilt auch an der Frischetheke oder beim Bäcker. Wenn du keine klare Antwort bekommst, dann kaufe das Produkt im Zweifel nicht oder bestell etwas anderes.
Entzugserscheinungen
Natürlich geht so eine Ernährungsumstellung zunächst nicht spurlos an einem vorbei. Dein Körper ist über Jahre an den hohen Zuckerkonsum gewöhnt und wird dir erstmal durch verschiedene Entzugserscheinungen zeigen wollen, was er davon hält. Das können Kopfschmerzen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, aber auch Unruhe, Gereiztheit und schlechte Laune sein. Ich kann dich beruhigen: Mit jedem Tag, den du den Zuckerentzug durchhälst, wird es besser, versprochen! Und du wirst dich immer freier und unabhängiger fühlen, weil dich nicht mehr Heißhunger und Verlangen nach Süßem bestimmen.
Mit diesen Tipps kannst du dein Wohlbefinden verbessern und die Entzugserscheinungen mildern:
- Vermeide zu jedem Preis Süßstoffe, denn die bringen deinen Stoffwechsel komplett durcheinander und erhöhen das Verlangen nach Süßem immer mehr
- Ausreichend zu trinken ist besonders wichtig, denn manchmal wird Durst auch als Hunger missverstanden. Außerdem hält genügend Flüssigkeit deinen Stoffwechsel auf Trab und entgiftet den Körper.
- Iss viel Obst, Gemüse & Vollkornprodukte, denn das ist was dein Körper eigentlich wirklich braucht
- Versuche so wenig Brot wie möglich zu essen, denn gebackenes Getreide besteht auch aus kurzkettigen Kohlehydraten und hat einen ähnlichen Effekt auf den Blutzuckerspiegel wie Einfach- und Mehrfachzucker
- Wenn es Brot sein soll, dann bitte Vollkorn
- Versuche dich so viel wie möglich zu bewegen, am besten an der frischen Luft. Das lenkt ab und entspannt.
Keine Verbote
Dieser Zuckerentzug ist keine Diät, du solltest dir also nichts verbieten. Du weißt wahrscheinlich selbst schon aus eigener Erfahrung, dass Verbote meist nur dazu führen, dass man sich am Ende selber betrügt. Im Prinzip verhält es sich da wie bei Kindern: Was verboten ist, wird noch interessanter 😉 Verbiete dir also nichts, sondern rufe dir deine Mission ins Bewusstsein und frage dich, ob das, wonach dein Körper verlangt, jetzt wirklich sein muss. Wenn die Antwort “ja” ist, dann lass es OK sein, aber analysiere dein Verhalten immer wieder und höre in dich hinein. Greife auf deine Plan B zurück oder iss ein Stück dunkle Schokolade, wenn du dich stark genug fühlst, dass es bei diesem einem Stücken bleibt. Genieße was auch immer du in dieser Situation tust, aber tu es bewusst, höre in dich hinein, fühle, was es mit dir macht – verurteile dich aber auf keinen Fall dafür! Zuckersucht ist eine Schwäche, die man nur mit der Stärke des Bewusstseins in den Griff bekommt.
Kein Zucker als Belohnung!
Ganz wichtig: Aufhören Zucker als Belohnung zu verwenden. Du musst damit aufhören solche Sachen zu denken wie: “Das Stück Schokolade habe ich mir jetzt verdient!”, wenn du das Gefühl hast, 1 Woche zuckerfrei gewesen zu sein. Es bringt dich in Nullkommanix wieder zurück ins alte Muster und damit zurück in die Zuckersucht. Du musst andere Methoden finden, dich zu belohnen wie z.B. ein Bad nehmen, ein gutes Buch lesen, eine Massage buchen, zur Yogastunde gehen oder ein besonders tolles (natürlich zuckerfreies) Rezept ausprobieren.
Durchhalten lohnt sich!
Die ersten Tage und Wochen werden nicht leicht werden. Bald wird es dir aber überhaupt nicht mehr schwer fallen, im Supermarkt am Süßigkeitenregal einfach vorbeizugehen oder den Teilchen und süßem Gebäck beim Bäcker zu widerstehen.
Je nachdem, wie streng du den Zuckerentzug angehst, wist du nach etwa 2-8 Wochen Veränderungen feststellen. Der Heißhunger auf Süßes verschwindet, dein Geschmackssinn für Süßes hat sich normalisiert und du wirst dich fitter und ausgeglichener fühlen und vielleicht sind auch ein paar Pfunde gepurzelt (das sollte aber nicht der Hauptgrund für den Zuckerentzug sein).
Um das zu erreichen, wirst du nicht drumherumkommen, dich mehr mit dem was du isst zu beschäftigen und vor allem auch mit dir selbst zu beschäftigen. Versuche Verhaltensmuster aufzudecken, ob du z.B. in Stresssituationen zu Süßigkeiten greifst, dir aus Langeweile Schokolade reinstopfst oder ganz nebenbei beim Fernsehen. Versuche dann bewusst in diesen Situationen die Kontrolle zu behalten. Wenn du keinen Süßigkeiten im Haus hast, aber genug Zutaten für deinen Backup-Plan, erledigt sich das Problem fast von alleine. Befreie dich von der Abhängigkeit vom Hunger.
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Ganz wichtig ist auch, dass du keine Vergleiche zwischen den selbstgemachten zuckerfreien Sachen und früher gekauften Sachen machst. Durch den Zuckerentzug wirst du schmecken neu lernen, neue Geschmäcker erfahren und damit deinen Geschmackssinn neu programmieren.
Unterm Strich
Leider ist es so, dass ich sagen muss, dass man nie ganz geheilt sein wird. Das Belohnungszentrum ist so stark auf Zucker geprägt, dass man die Sucht zwar in den Griff bekommt, sie aber auch ganz schnell wieder die Oberhand gewinnen kann, wenn man nicht aufpasst. Das mag sich jetzt zwar aussichtslos anhören, wenn du aber meine Ratschläge aus diesem Artikel verinnerlicht hast, wirst du so schnell keinen Rückfall erleiden. Falls es doch passiert, weißt du, was zu tun ist. Die Entzugserscheinungen werden dann eventuell für eine kurze Zeit wieder auftreten, aber nicht mehr so stark wie am Anfang. Es wird also einfacher, wieder loszukommen. Das sind doch gute Aussichten! 🙂
Es werden immer mal wieder Tage kommen, an denen du dich gestresst, müde, ausgelaugt und unausgeglichen fühlst. Sei an diesen Tagen besonders sensibel und aufmerksam und versuche dir ins Bewusstsein zu rufen, dass Süßigkeiten deinen Körper langfristig nur noch mehr belasten und stressen und dich wieder in den Teufelskreis katapultieren. Diese Denkweise geht weit über ein stumpfes Verbot hinaus, denn es bezieht mit ein, dass du weißt, was dir nicht gut tut und du dich dann Dingen zuwenden kannst, wo du weißt, dass sie OK sind (bzw. dass sie zumindest keinen gesundheitlichen Schaden anrichten)! Lass dich vor allen Dingen nicht von Rückfällen entmutigen!
Wie gesagt gibt es keine Generalanleitung, jeder muss seinen eigenen Weg finden, was für ihn gut funktioniert. Nur alle Methoden haben etwas gemeinsam: Ehrlich zu sich sein, gutmütig mit sich selbst sein, aber niemals nachlässig.
Ich wünsche dir viel Erfolg und Kraft für deinen Weg heraus aus der Zuckersucht!
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